Kenzō Takada: Ein Japaner in Paris (2024)

Die Stoffe für seine erste Kollektion kamen vom Flohmarkt, Traditionelles verband er stets mit Einflüssen aus diversen Kulturen. Zum Tod des Modedesigners Kenzō Takada Von Carmen Böker

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Er hat seine Shows gern in Zirkuszelten gezeigt und einmal ist er auf einem Elefanten in die Manege geritten: Der japanische Designer Kenzō Takada war keiner, der seine Schauen wie heilige Messen zelebrierte. Seine Sehnsucht nach Farben, nach flirrenden Mustern sorgte dafür, dass immer ein fröhliches Spektakel dabei herauskam. Mode – das war für ihn nicht die Verehrung eines Saums oder einer Taillennaht, sondern ein Spiel vieler Einflüsse zwischen West und Ost. "Reisen bringen wunderbare Einflüsse", hat er einmal gesagt. "Ich liebe alle Kulturen. Später schwelge ich in Erinnerungen. Dann zeichne ich."

Kenzō war der erste einer ganzen Reihe japanischer Designer, die sich in den Siebzigerjahren in Paris niederließen; seine erste Schau zeigte er 1970, einer der Entwürfe schaffte es sogleich auf das Cover der französischen Elle. Die Stoffe seiner Kollektion kamen vom Flohmarkt, denn mehr konnte er sich nicht leisten. Doch auch wenn dieses Zusammenklauben wirkte wie aus der Not geboren: Dem Prinzip der wilden Mischung von Stoffen und Mustern blieb er treu. Klassische Karos trafen auf Kirschblütenmuster, folkloristische Elemente aus dem Orient oder Südamerika wurden als Patchwork verarbeitet.

Die Ergebnisse waren nicht unbedingt bürotauglich, auch wenn die Farbkombinationen aus heutiger Sicht weniger wild wirken, da sie immer von einer kräftigen Hauptfarbe – oft Mohnrot – geleitet wurden. Es war eine Veredelung jener Hippie-Mode, wie man sie bis dahin eher nur bei britischen Modeschöpfern gesehen hatte – unkonventionelle, fließende Schnitte, weite Kleider, sehr viele Blumenmuster und eine fröhliche Attitüde. Inspiriert hatte ihn die Deko in einer Boutique, die er übernahm: Dschungelszenen des Malers Henri Rousseau (1844-1910).

Kenzō war 1964 mit dem Schiff nach Marseille gekommen. Zunächst war nur ein kürzerer Aufenthalt geplant – doch es wurde mehr. Kenzō Takada war der erste männliche Student an der Bunka f*ckuso Gakuin, einer der renommiertesten Modeschulen in Tokio – inspiriert hatten ihn die Modezeitschriften seiner Schwester. Die Hotelier-Familie war eigentlich strikt dagegen gewesen. Zunächst arbeitete er als Stylist, später dann, in Paris, als freischaffender Designer. Jungle Jap – Jap wie Japonais – nannte er seine erste Boutique. Zur Damenmode kam 1983 eine Herrenkollektion hinzu, dann Zweitlinien und eine Kinderkollektion sowie diverse Parfüms. Das erste heißt schlicht Kenzō; den Verschluss bildet eine Rosenblüte.

Nach Kenzō kamen Designerinnen und Designer wie Rei Kawakubo, Issey Miyake, Junko Shimada und Yohji Yamamoto nach Paris. Sie alle verbindet, dass sie die traditionelle Kleidung ihrer Heimat mitgebracht und zur Grundlage ihrer Entwürfe gemacht haben. Während die westliche Mode Richtung Achtzigerjahre immer körperbetonter wurde, den sportlich gestählten Körper mit breiten Schultern und schmalen Taillen akzentuieren sollte, blieb es das Credo der Japaner, an der Ästhetik des Verhüllens festzuhalten.

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Das Grundmodell vieler ihrer Jacken, Mäntel und Oberteile blieb der Kimono – ein Kleidungsstück, das keinen zweiten Idealkörper formen soll, sondern auf der Idee geometrischer, standardisierter Stoffstücke basiert. Es wird mit Gürteln in Form gebracht, bleibt aber immer körperfern. Darin liegt natürlich auch die westliche Obsession für den Kimono begründet, der ja bereits in den Zwanzigerjahren durch Paul Poiret in Mode gekommen war: Auch wenn er lose um den Körper fällt, ist er eine subtile Andeutung auf das, was sich darunter befindet. Zugleich trägt er sich so bequem wie eine Strickjacke, wenn man auf den traditionellen, steifen Gürtel – den Obi – verzichtet. In dieser Zeit, da es zu Hause gemütlich zugehen soll, viele sich aber doch schon wieder Gedanken machen, ob es nicht auch schön aussehen sollte, liegt der Kimono wieder mal im Trend. Das hat auch mit Kenzō zu tun, dem ersten Japaner in Paris.

Kenzōs Kollegen Miyake, Kawakubo und Yamamoto blieben eher beim Schwarz, um die Strenge der Schnitte, das japanische Prinzip der genau bemessenen, geraden Stoffteile zu verdeutlichen. Nahmen sie sich westliche Schnitte wie dem des Jacketts an, wurden sie oft dekonstruiert und aus Einzelteilen konzeptuell wieder zusammengesetzt – oft so, dass Ärmel Beulen bildeten oder Schultern sich dramatisch überwölbten.

Kenzō Takada ging in eine andere Richtung. Er verband typisch europäischen Chic mit asiatischen Einflüssen und, dank seiner vielen Reisen, mit einer Akkumulation folkloristischer Elemente. Humberto Leon und Carol Lim, die von 2011 an für acht Jahre Chefdesigner im Hause Kenzō waren, entdeckten seine Raubtiermuster neu. Der Tigerkopf – so war es 2017 auch in der limitierten Kollektion für Hennes & Mauritz zu sehen – wurde zu einer Art Logo für ein Unternehmen, das die Kulturen der Welt wie auf einem Moodboard zu sammeln pflegte.

Kenzō selbst war 1999 aus dem Unternehmen ausgeschieden, das er sechs Jahre zuvor für umgerechnet 70 Millionen Euro an den französischen Luxusgüterkonzern LVMH verkauft hatte. Er wollte mehr Zeit für seine Familie haben, für die Kunst – er malte und sammelte – und für das Reisen, wie er damals erklärte.

Am Sonntag ist Kenzō Takada im Alter von 81 Jahren in Neuilly bei Paris an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung verstorben.

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